Dass Männer sich weniger um ihre Gesundheit kümmern als Frauen, ist schon lange bekannt. Für Männergesundheit mehr Sensibilität zu erzeugen, ist ein wichtiges Anliegen, für das auch am Tag der Männergesundheit am 03. November jährlich weltweit geworben wird. Eine der Folgen des bisherigen Zustands, der in weitgehender Vernachlässigung des Themas besteht, ist, dass über spezielle Männergesundheit vergleichsweise wenig bekannt ist. Krebserkrankungen der Hoden, des Penis oder der Prostata sind bei weitem nicht so bekannt und gut erforscht wie andere Karzinome, vor allem etwa Lungen- und Brustkrebs. Und dies, obwohl das Prostatakarzinom mit 60.000 Neuerkrankungen jährlich die häufigste Krebsform bei Männern darstellt.
Die Tatsache, dass viele Gesundheitsstudien in der Vergangenheit überwiegend oder ausschließlich mit Männern durchgeführt wurden, bedeutet noch lange nicht, dass sie einen männerspezifischen Blick auf die Testpersonen hatten. Diese Spezifität für genderspezifische Medizin und Psychologie zu stärken – für Frauen und Männer –, darum muss es stärker in Forschung und Praxis gehen.
Männergesundheit - das vergessene Thema
Die Gesundheit von allen Menschen, Frauen und Männern und vor allem auch die von Kindern, sollte im Fokus von Öffentlichkeit und Forschung stehen und uns alle beschäftigen. Frauengesundheit ist wichtig. Aber was ist mit Männergesundheit? Männer stellen im Gesundheitsbereich immer noch das selbst- und fremdvergessene Geschlecht dar. Dabei profitieren alle von einer verbesserten Gesundheit bei Männern, vor allem in Bezug auf psychische Gesundheit. Weniger suchtkranke, suizidale oder depressive Männer tut auch Frauen und Kindern im Umfeld gut!
Es wird oft argumentiert, dass Männer als Zielpersonen die medizinische Forschung lange Zeit dominiert hätten und Frauenbelange vernachlässigt wurden. Diese Suchtweise verkennt aber, dass die medizinische Forschung über lange Zeit weder frauen- noch männerspezifisch war. Erst die feministischen Forderungen nach Frauenspezifität in der Medizinforschung hat dies langsam verbessert, allerdings für Männer nicht! Deshalb muss eine gendersensible Medizin und Psychotherapie auch Männerspezifität aufweisen.
Ein Symptom der Vernachlässigung von Männergesundheit zeigt sich in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit diesem Thema in den letzten 50 Jahren: Der Terminus „women´s health“ taucht in den bei PubMed, der größten wissenschaftlich-medizinischen Datenbank der Welt, gelisteten Texten 10-mal häufiger auf als der Begriff „men´s health“ (1970-2020). Männergesundheit hat also nur ein Zehntel des Interesses in Forschungsarbeiten im Vergleich mit Frauengesundheit gefunden!
Weil so wenig Aufmerksamkeit – auch von Wissenschaftlern - auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Jungen und Männern gelegt wird, geht es im Folgenden um genau dieses vernachlässigte Thema! Männergesundheit als das unbekannte Thema!
Fakten zur Männergesundheit
Die Gesundheit von Männern wird erst allmählich als Thema entdeckt. In vielen Fällen ist der geschlechtsspezifische Blick auf Gesundheit von Männern noch ungewohnt. Dabei gibt es viele Gründe für den spezifischen Blick auf die Gesundheit der Männer:
Sie leben durchschnittlich 5 Jahre kürzer als Frauen, begehen etwa dreimal so häufig Selbstmord und sind dreimal öfter abhängig von Alkohol und illegalen Drogen. Daraus ergibt sich, dass ca. 75% aller Suizide und etwas mehr als 70% aller Alkohol- und Drogenabhängigen Männer sind. Männer erkranken öfter an Lungen- und Darmkrebs und sterben häufiger als Frauen an Herz-Kreislauferkrankungen. 95% aller tödlichen Arbeitsunfälle werden von Männern erlitten. Sie zeigen außerdem riskantere Verhaltensmuster, etwa beim Umgang mit Gefahren, in der Freizeit und im Sport. Auch werden ihnen in der Regel die riskanteren beruflichen Aufgaben zugewiesen, etwa als Arbeiter, Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute.
Im Laufe der COVID-19 Pandemie ist die Lebenserwartung für Männer in den USA um 2.2 Jahre gesunken und damit deutlich stärker als bei Frauen (Vergleichswert: 1.65 Jahre). Seit einigen Jahren steht die psychische Gesundheit der Menschen besonders im Mittelpunkt. Männer entwickeln nicht nur häufiger eine Suchtkrankheit, was ihr Leben um durchschnittlich 12 Jahre verkürzt, sondern sie zeigen auch häufiger die Symptome einer männerspezifischen Depression (Irritierbarkeit, Gereiztheit, Antriebsschwäche, Erschöpfung, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme), die oft gar nicht oder zu spät erkannt wird. Auch hier gilt es, eine verbesserte Sensibilität und Zugänge zu früheren Hilfen zu entwickeln (vgl. „Männerdepression – Wo gibt´s denn so was?“)
Der Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit – eine Schwäche!
Männer gehen seltener zum Arzt als Frauen, lassen sich bei Symptomen später behandeln und unterdrücken insgesamt Anzeichen von Krankheit stärker als Frauen. Die Sache mit dem „Männerschnupfen“ ist natürlich ein Mythos. Was bringt Männer dazu, tendenziell nachlässig und rücksichtslos mit sich selbst umzugehen? Traditionell werden Jungen zu mehr Wettbewerb und Rivalität erzogen. Sie bringen von ihrer biologischen Ausstattung auch die idealen Voraussetzungen hierfür mit. Die Nachteile liegen in höheren Zahlen von Männern bei Opfern von Kampfhandlungen, Aggressionen und Selbstverschleißung. Unter Selbstverschleißung sind die Folgen übermäßigen Stresses in Arbeit und Gesellschaft zu verstehen.
Die Aufopferungsbereitschaft für Arbeit, Staat, Frauen und Kinder ist ein typisches Merkmal der klassischen Männerrolle und trägt zur Selbstverschleißung, häufig in Form von Burnout, aber auch Depression, Sucht, Suizid und früherem Tod, bei. Die Zahl der Männer, die an Stressfolgeerkrankungen leiden und versterben, ist höher als die von Frauen. Dabei glauben Männer oft, dass sie unbesiegbar sind und deshalb auch nicht ernsthaft erkranken können. Ein Irrglaube, den sie allzu oft mit langem Siechtum und früherem Tod bezahlen. Es gilt, dass sich Männer erlauben, sich als verletzlich (vulnerabel) und sensibel zu erleben und dass sie dadurch zu einem realistischeren Selbstbild gelangen, dass sie dann auch weniger stresst und unter Leistungs- und Perfektionsdruck setzt.
Dreifachbelastung mit Arbeit, Kinder und Partner ist längst ein Männerthema
Die Dreifachbelastung ist inzwischen ein häufiges Dilemma des postmodernen Mannes, der versucht, es allen recht zu machen und dabei allzu selbst auf der Strecke bleibt. Lange haben Frauen über Doppelbelastung in Haushalt und Beruf geklagt. Dabei sind zwei Drittel aller Mütter in Teilzeit tätig (2020). Oft entspricht dies den partnerschaftsinternen Absprachen und von Frauen und Männern gewünschten Rollenverteilungen. Nunmehr kommen aber von Politik und Gleichstellungsfunktionären mit viel Vehemenz Forderungen zur paritätischen Rollenerfüllung in Familie und Partnerschaft. Viele Männer wollen dies sowieso. Aber die Tücken liegen oft in der Umsetzung bzw. Umsetzbarkeit.
Der Paritätsanspruch in Bezug auf Kindererziehung und Haushalt bedeutet oft nicht, dass dann beide Partner in Teilzeit arbeiten, sondern nach wie vor nur der Mann, weil er aufgrund eines höheren Gehalts der Hauptverdiener ist. So kommen viele Männer, insbesondere Väter, in eine prekäre Situation, da sie oft aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, eine Teilzeittätigkeit anzunehmen, aber gleichzeitig verstärktes Engagement in Haushalt und Familie zeigen sollen bzw. wollen.
Männer sollten insgesamt eine balancierte Aufteilung der Aufgaben und Verpflichtungen in Arbeit, Familie und Haushalt erreichen, bei der sie ihre Arbeitsbelastung entweder reduzieren oder diese in die Gesamtrechnung fair miteinbringen. Allzu oft wird bislang erwartet, dass sie auch in Kindererziehung und Haushalt ihren Mann stehen, was sehr passend und erfüllend sein kann, aber im Beruf nach wie vor ein ungeschmälertes Ausmaß an Leistung bringen. Das geht nicht und das muss allen Beteiligten klar sein!
Alte Rollenmuster verhindern Stressreduktion bei Männern
Immer mehr wird von politisch interessierter Seite die Angleichung der Rollenmuster in Haushalt und Familie gefordert. Oft wünschen sich Männer dies auch selbst. Sie sollten aber die Freiheit behalten, in Abstimmung mit ihren Partnerinnen, ein für sie passendes Familienmodell zu finden, ohne rigide Vorschriften oder moralischen Druck von politischer und medialer Seite gemacht zu bekommen. Im Hintergrund für die oft vorhandene Unfähigkeit von Männern sich gegen die von allen Seiten vorgetragenen Anforderungen zu wehren und auch einmal Nein zu sagen, steht die gelernte Rolle, Stärke zu zeigen und Schwäche zu vermeiden. Dies wird durch Erziehung, Kultur und die größere Körperkraft, die eher den Eindruck der Unbesiegbarkeit vermittelt, suggeriert.
Es sind Mütter wie Väter, aber auch Medien und Vorgesetzte in der Arbeitswelt, die diesen Mythos immer wieder beleben. Dabei wollen Männer natürlich gesund und fit sein, glauben aber zu oft und vor allem zu lange an die eigene Unverletzlichkeit. Es liegt vor allem an den Strategien im Umgang mit sich selbst, den unpassenderen inneren Haltungen, keine Schwächen zu zeigen und sich dem Stress des Alltags zu lange hinzugeben, dass Männer am Ende eine schlechtere Gesundheit aufweisen als Frauen. 80% der Frühsterblichkeit von Männern hat mit psychosozialen und verhaltensbedingten Ursachen zu tun, sind also nicht genetisch oder hormonell bedingt!
Der immer noch allzu oft bei Männern vorzufindende Glaube an die eigene Unbesiegbarkeit ist im Kern eine Schwäche: sich Probleme und Symptome einzugestehen, sich Hilfe zu holen, wenn nötig, und sich anderen gegenüber diesbezüglich zu öffnen.
In den Medien spielen Männer kaum noch eine positive Rolle
In den Medien und der gesellschaftlichen Öffentlichkeit hat sich längst ein Negativimage in Bezug auf Männer verbreitet. Der Mann als Held früherer Tage ist dem toxischen oder trotteligen Alltagsmann gewichen. Beides sind Extreme und Stereotype. Wichtig ist der realistische, differenzierte, aber auch wohlwollende Blick. Männer wie Frauen sollten in ihren Potentialen gefördert werden und bei Problemen Hilfe bekommen. Dies gilt für Männer besonders in Fragen ihrer psychischen und physischen Gesundheit.
Aber: Das Thema „Männergesundheit“ rückt immer mehr in den Vordergrund. Und dies obwohl es von den meisten Leitmedien weitgehend ignoriert und abgewehrt wird. Dennoch stellt sich nach und nach eine notwendige und hoffnungsvolle Entwicklung ein. Inzwischen erscheinen Männergesundheitsberichte (der fünfte erschien im November 2022), die Stiftung Männergesundheit befasst sich fokussiert mit dem Thema und immer neue Forschungsprojekte werden auf den Weg gebracht. Die Entwicklung gibt also Anlass zur Hoffnung! Lassen Sie uns also beim Thema Gesundheit auch an Männergesundheit denken, damit diese sensibler für ihre Gesundheit, Früherkennung und Selbstfürsorge werden. Wenn Männer lernen, sich nicht zu überfordern, sensibel mit sich und dann mit ihren Familien umzugehen, können sie für gewinnen.